Heute: Partizipgruppen und Adjektivgruppen
In unserer Blogreihe zu den Regeln der deutschen Kommasetzung haben wir uns bislang mit Aufzählungen und Reihungen, Nebensätzen und Infinitivgruppen beschäftigt. Heute dreht sich alles um Partizipgruppen und Adjektivgruppen. Die Regeln für beide sind recht überschaubar. Wie für die Infinitivgruppen gilt es vor allem, Missverständnisse zu vermeiden. Also kommt es auch hier wieder sehr auf das eigene Sprachgefühl an.
Ein Beispiel:
Die Enkel fragen ihre Oma noch immer essend nach der Uhrzeit.
Was will uns die Autorin damit sagen? Auf jeden Fall mal diese wesentliche Erkenntnis: Dieser Satz bietet gleich drei Lesarten.
- Während die Enkel ihre Oma verspeisen, fragen sie nach der Uhrzeit:
Die Enkel fragen, ihre Oma noch immer essend, nach der Uhrzeit. - Während Oma noch isst, fragen die Enkel sie nach der Uhrzeit. Oder:
- Während die Enkel noch immer essen, fragen sie ihre Oma nach der Uhrzeit:
Die Enkel fragen ihre Oma, noch immer essend, nach der Uhrzeit.
Betrachten wir die Lesarten (2) und (3), kommen wir zu dem Schluss, dass Kommasetzung allein hier für die Verständlichkeit des Textes nicht ausreicht. Immerhin aber hat dank der Kommata die Oma hier eine reelle Überlebenschance.
Was ist ein Partizip?
Im Deutschen gibt es zwei verschiedene Formen des Partizips: das Partizip Präsens und das Partizip Perfekt. Andere Sprachen, zum Beispiel das Lateinische, müssen sich auch noch mit dem Partizip Futur herumschlagen – das bleibt uns erspart. Bei beiden Formen, Präsens und Perfekt, handelt es sich um eine infinite Verbform, also einer Form des Verbes, die nicht konjugiert wird und somit nicht zum Ausdruck bringt, welche Person(en) welchen Geschlechts in welcher Stückzahl etwas macht.
Das Partizip Präsens
Das Partizip Präsens lässt sich leicht daran erkennen, dass es an den Infinitiv eines Verbes ein –d als Endung hängt. Wie im Beispiel mit der Oma: essen-d. Aber auch:
fragen-d, suchen-d, machen-d, gehen-d, stehen-d, schreiben-d etc.
Das Partizip Perfekt
Das Partizip Perfekt hingegen kennt zwei Formen: die regelmäßige und die unregelmäßige und – wie sollte es anders sein – noch eine Ausnahme von allen Regeln.
(1) Das regelmäßige Partizip Perfekt nutzt die Vorsilbe ge-, welcher der Präsensstamm folgt, und endet auf –t:
ge-frag-t, ge-such-t, ge-mach-t etc.
(2) Das unregelmäßige Partizip Perfekt beginnt ebenfalls mit der Vorsilbe ge-, dann aber folgt der Perfektstamm mit der Endung –en:
ge-gang-en, ge-stand-en, ge-schrieb-en etc.
(3) Zudem gibt es Verben, die ohne die Vorsilbe ge- gebildet werden und entweder auf –t oder –en enden, zum Beispiel:
erzählen – erzählt, komponieren – komponiert, auferstehen – auferstanden.
Was kann ein Partizip?
Im Deutschen heißt das Partizip auch Mittelwort, weil es Aspekte sowohl des Verbs als auch des Adjektivs in sich vereint.
Das Partizip Präsens kann die Funktion eines Adjektivs
das lachende Kind, die weinende Mutter
oder Adverbs
das Kind läuft lachend über die Spielplatz, die Mutter hetzt weinend hinterher
übernehmen. Dabei drückt es als Adverb zudem die Gleichzeitigkeit zweier Tätigkeiten aus:
Das Kind läuft und lacht, die Mutter hetzt und weint.
Das Partizip Perfekt dient neben der Funktion als Adjektiv
der geröstete Kaffee, das gekühlte Bier
oder als Adverb
Der Kaffee schmeckt (frisch) geröstet, das Bier gekühlt trinken
auch der Bildung des Passivs
Das Buch wurde gelesen, dir wird gegeben
als auch der Zeitformen Perfekt
Ich habe gegessen, du bist gegangen
Plusquamperfekt
Ich hatte gegessen, du warst gegangen
und Futur II
Ich werde gegessen haben, du wirst gegangen sein.
Beide können als Partizipgruppen aber auch die Funktion als Satzglied haben.
Was ist ein eine Partizipgruppe?
Eine Partizipgruppe besteht aus mehr Worten als nur dem Partizip Präsens oder dem Partizip Perfekt und kann die Funktion eines Satzgliedes übernehmen. Wie eine Infinitivgruppe enthält es kein Subjekt, weil dies vom Hauptsatz bereits realisiert wird.
Kommasetzung bei Partizipgruppen
Partizipgruppen benötigen immer dann Kommata, wenn sie als Zusätze oder Nachträge anzusehen sind, die einem Nomen oder Pronomen nachgestellt sind.
Beispiele für Zusätze oder Nachträge – Partizip Präsens
Das Äffchen, den Stock in die Höhe haltend, drückte sich an der Scheibe entlang.
Die Löwin tigerte durch ihr Gehege, hungrig nach ihrem Mittagessen suchend.
Er rannte zurück zur Straße, auf die Rückkehr seiner Geliebten hoffend.
Beispiele für Zusätze oder Nachträge – Partizip Präsens
Der Lottogewinner, getrieben von so viel Glück, lächelte den Rest seines kurzen Lebens.
Sie, getragen von dem tosenden Applaus des Publikums, schwebte über die Bühne.
Das ist gehupft wie gesprungen, rein sachlich betrachtet.
Ebenso kommt das Komma zum Einsatz, wenn die Partizipgruppe durch ein hinweisendes Wort oder eine Wortgruppe angekündigt oder wieder aufgenommen werden:
Beispiele für angekündigte Partizipgruppen
So kam sie nach Hause, fluchend und schimpfend.
Und genau so, noch immer fluchend und schimpfend, ging sie auch wieder.
Beispiele für wieder aufgenommene Partizipgruppen
Gestresst von der langen Fahrt, in diesem Zustand kamen wir am Urlaubsort an.
Geschüttelt und nicht geschüttelt, so mag 007 seinen Wodka-Martini am liebsten.
In anderen Fällen können Partizipgruppen mit oder ohne Komma stehen.
Kommasetzung ist aber immer dann hilfreich oder gar erforderlich, wenn es darum geht, die Gliederung des gesamten Satzes zu verdeutlichen oder die Partizipgruppe als Zusatz oder Nachtrag zu kennzeichnen.
Beispiele für Partizipgruppen, die mit oder ohne Komma stehen können
Endlich am Strand angekommen sprangen wir sofort ins Wasser.
oder: Endlich am Strand angekommen, sprangen wir sofort ins Wasser.Deine Idee ist offen gesagt total bescheuert.
oder: Deine Idee ist, offen gesagt, total bescheuert.Er schaute langsam die Treppe herunterkommend ziemlich dumm aus der Wäsche.
oder: Er schaute, langsam die Treppe herunterkommend, ziemlich dumm aus der Wäsche.
Adjektivgruppen
Für Adjektivgruppen gelten letztlich dieselben Regeln. Auch Adjektivgruppen können sich als Zusätze oder Nachträge auf Nomen oder Pronomen beziehen und sind dann mit Kommata abzutrennen.
Beispiele für Zusätze oder Nachträge – Adjektigruppen
Wir fielen uns in die Arme, begeistert und total überwältigt.
Die Giraffe, eitel wie ein Pfau, posierte vor den Kameras der Zoobesucher.
Auch können Adjektivgruppen durch ein hinweisendes Wort oder eine Wortgruppe angekündigt oder wieder aufgenommen werden und brauchen dann die Abtrennung durch Kommata:
Beispiele angekündigte und wieder aufgenommene Adjektivgruppen
Mal wieder sturzbetrunken, so kam er gestern nach dem Fußballspiel nach Hause.
Genau so, rank und schlank wie früher, wäre er noch immer gerne.
Ansonsten gilt wie bei den Partizipgruppen: Kommasetzung ist aber immer dann hilfreich oder gar erforderlich, wenn es darum geht, die Gliederung des gesamten Satzes zu verdeutlichen oder die Adjektivgruppe als Zusatz oder Nachtrag zu kennzeichnen.
Beispiele für Adjektivgruppen, die mit oder ohne Komma stehen können.
Nach dem Erfolg fielen wir uns(,) begeistert und total überwältigt(,) in die Arme.
Vor den Kameras der Zoobesucher posierte die Giraffe(,) eitel wie ein Pfau.
Mal wieder sturzbetrunken(,) kam er gestern nach dem Fußballspiel nach Hause.
Er wäre noch immer gerne wie früher(,) rank und schlank.
Ja, der Unterschied ist nicht immer leicht zu verstehen. Deshalb macht es auch hier einmal mehr ganz viel Sinn, sich die einzelnen Sätze laut vorzulesen und sich dabei zu überlegen, wo die Betonung liegen soll. Liegt sie auf der Partizip- bzw. Adjektivgruppe, kann dies bedeutet, dass es sich um einen Nachtrag oder Zusatz handelt. Diese dann durch Kommata abzutrennen, kann Lesern dabei helfen, den gemeinten Sinn leichter zu verstehen. Dank der Kann-Regel lässt sich hier jedenfalls nicht so viel falsch machen, und das ist ja auch schon mal was wert!
Beitragsbild: Britta Kretschmer
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