Für das Verfassen von Texten gibt es ein paar Goldene Regeln. Diese gelten nicht nur, wenn es sich um Texte fürs Web handelt. Die Yoast SEO Lesbarkeit deckt einige dieser Regeln ab. So zählt das Plugin die Anzahl der Wörter pro Satz und wertet über den Flesch Reading Ease Test auch die Anzahl der Silben pro Wort aus. Für gewiefte Texter mag das banal erscheinen. Doch nicht jeder Schreiberling ist sich des eigenen Handelns immer bewusst. Da kann ein bisschen Hilfe seitens einer neutralen Instanz, die schlicht Wörter und Silben zählt, nicht schaden.
Allerdings sorgt das Plugin auch immer wieder für Verwirrung. Nicht nur die Begrifflichkeit Übergangswort ist schwierig gewählt. Indirekte Rede jedenfalls ist nichts, das zu vermeiden sei. Was also meint die Yoast SEO Lesbarkeit mit indirekter Rede?
Was bedeutet indirekte Rede tatsächlich?
Wahrscheinlich haben Sie eine gute Vorstellung davon, was indirekte Rede ist: trgendwas mit Gesagtes wiedergeben, ohne direkt zu zitieren. Aber fragen wir doch mal die Wikipedia, die weiß es ja immer ganz genau:
»Die indirekte Rede ist ein Mittel zur distanzierten, berichtenden Wiedergabe von Äußerungen. Die Wiedergabe der Äußerung kann wortgenau oder verkürzt sein, oder einzelne Teile in anderer Reihenfolge als im Original wiedergeben. Die indirekte Rede steht nicht wie die direkte Rede in Anführungszeichen, sondern in einem Nebensatz mit dem einleitenden Subjunktor dass oder in einem Hauptsatz im Konjunktiv I oder II.«
Wie gesagt: irgendwas mit Gesagtes wiedergeben, ohne direkt zu zitieren… Neben allen Sprachregeln zum Gebrauch der indirekten Rede ist hier aber ein ganz wesentlicher Aspekt bedeutsam: der der distanzierten, berichtenden Wiedergabe von Äußerungen. Die Yoast SEO Lesbarkeit kann nicht ernsthaft meinen, dass ein solcher Sprachgebrauch nur im begrenzten Maße wünschenswert sei. Offenbar handelt es sich hierbei also einmal mehr um eine falsche Übersetzung.
Das Passiv ist der Yoast SEO Welt ihre indirekte Rede
Wenn die Yoast SEO Lesbarkeit von indirekter Rede spricht, meint sie Passivkonstruktionen. Und die haben sich in den Sprachgebrauch vieler allzu dominant eingeschlichen. Dabei ist das Aktive viel leichter zu verstehen:
Aktiv: Ich lese ein Buch.
Passiv: Ein Buch wird von mir gelesen.
Ein und derselbe Sachverhalt. In der aktiven Darstellung braucht es vier Worte, in der passiven sechs. Abgesehen davon klingt es passiv reichlich verquast.
Das Passiv im Deutschen: die Leideform
Wer weiß, vielleicht lieben die Deutschen ihr Passiv deshalb so sehr, weil es sich um die Leideform handelt. Die Leideform stellt jedenfalls das Objekt, mit dem etwas passiert, an den Anfang der Äußerung. Dafür braucht es ein Hilfsverb, eine Form von werden (wird, wurde, worden, …), und das Partizip des Verbes (im Beispiel oben statt lesen: gelesen). Das jedenfalls ist die übliche Konstruktion einer passiven Darstellung.
Der Vorstandsvorsitzende wurde (von dem Attentäter) getötet.
Das Haus ist offenbar (von dem Brandstifter) abgefackelt worden.
Ich wurde 1981 in Oberhausen geboren.
Die Beispiele zeigen, dass es durchaus Zusammenhänge gibt, in denen das Passiv nicht nur sinnvoll, sondern dem Aktiv sogar vorzuziehen ist. Der Akt der Geburt zum Beispiel ist für den Menschen, der da das Licht der Welt der Blick, tendenziell ein eher passiver Prozess. Die Alternative, die den vielleicht sogar qualvollen Akt der Mutter vermittelt, hat im Lebenslauf jedenfalls nichts verloren. Und gerade bei Opfern von Unfällen oder gar Untaten wäre es unschön, durch die Aktivformulierung den Täter in den Fokus zu rücken.
Darüber hinaus gilt allerdings, das Passiv möglichst zu vermeiden. Auch wenn das nicht immer einfach ist. Gerade in erläuternden Zusammenhängen wie zum Beispiel Anleitungen, wie ich sie hier im Blog meist veröffentliche, muss erst einmal eine handelnde Figur her. Statt Der Code muss nun an dieser Stelle eingefügt werden zu verwenden, spreche ich meine Leser/innen lieber direkt an: Nun müssen Sie den Code an dieser Stelle einfügen.
Yoast SEO Lesbarkeit und das Erkennen des deutschen Passivs
Tatsächlich tut sich die Yoast SEO Lesbarkeit mit dem Erkennen der deutschen Passivkonstruktionen eher schwer. Sprache ist aber auch eine verdammt komplexe Angelegenheit. So gibt es neben der Konstruktion werden + Partizip noch andere Möglichkeiten, passiv zu formulieren. Es ist zum Beispiel auch möglich, passiv mittels bekommen + Partizip oder sich lassen + Infinitiv zu konstruieren:
Harald hat Erika einen Denkzettel verpasst. – Erika bekam von Harald einen Denkzettel verpasst.
Eduard kann das Rätsel nicht lösen. – Das Rätsel lässt sich nicht lösen.
Zudem gibt es neben dem Vorgangspassiv auch das Zustandspassiv, das aus sein + Partizip besteht:
Das Fenster ist geschlossen. (Zustand)
Das Fenster wird geschlossen. (Vorgang)
All diese Passivkonstruktionen erkennt die Yoast SEO Lesbarkeit nicht. Was aber auch nicht tragisch ist. Denn das Kriterium hinter allem ist ja immer das der Lesbarkeit. Und die ist nur dann gefährdet, wenn ein Text vor passiven werden-Konstruktionen nur so strotzt. Deshalb ist in meinem Verständnis der Sinn dieses Hinweises auf die vermeintliche indirekte Rede eigentlich nur:
Hallo, du hast schon wieder zu häufig werden + Partizip benutzt!
Danke für den Hinweis.
Beitragsbild: Britta Kretschmer
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